PRESSEMITTEILUNG

PRESSEMITTEILUNG

Urteil im vierten Verfahrensjahr gegen Patrik Sinkewitz: CAS hebt DIS-Schiedsspruch aus 2012 auf

Fatale Auswirkungen für den Anti-Doping-Kampf

1.

Nachdem das Sportschiedsgericht der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) die Schiedsklage der NADA gegen den Radfahrer Patrik Sinkewitz, der noch immer sportlich zu Europas besten Radprofis gehört, mit Schiedsspruch vom 19.06.2012 noch abgewiesen hatte, hat der CAS Herrn Sinkewitz mit seinem heute zugestellten Urteil zu einer Sperre von acht Jahren unter Anrechnung der Suspendierung (ein Jahr und drei Monate), einer Geldstrafe und zur Übernahme der Verfahrenskosten veurteilt.

2.

Zentraler Aspekt im gesamten Verfahren war die Frage, ob das hGH-Testverfahren zum indirekten Nachweis von exogen zugeführtem hGH in Abgrenzung zu körpereigen produziertem hGH geeignet und ausreichend wissenschaftlich abgesichert ist.

Obwohl nicht nur das Schiedsgericht in erster Instanz (bestehend aus einem Vorsitzenden Richter am BGH a.D.), sondern in der Folge auch ein Panel des CAS im März 2013 (Andrus Veerpalu) die in Rede stehenden Grenzwerte des HGH-Testverfahrens als wissenschaftlich nicht abgesichert zurückgewiesen hatten, hat ein anderes Panel des CAS die von der WADA festgelegten Grenzwerte heute wiederum als ausreichend abgesichert angesehen.

Die NADA hatte zur Neuberechung der Grenzwerte ein Gutachten von Wissenschaftlern der McGill-University (Montreal) vorgelegt. Alle neutralen, weltweit renommierten von Herrn Sinkewitz hinzugezogenen Wissenschaftler haben diese vorgenommene Neu-Berechnung der Grenzwerte indes einheitlich aus mehreren gravierenden Gründen als wissenschaftlich nicht haltbar aufgezeigt – sowohl aus endokrinologischer als auch aus mathematisch-statistischer Sicht. Hauptkritikpunkte waren, dass „co-variablen (wie body-mass-index, zirkadiane Aspekte, Dauer und Intensität der körperlichen Belastung), die die für das HGH-Testverfahren relevante rec/pit-ratio (hGH-Isoformquotienten) – wissenschaftlich nachgewiesen – erheblich beeinflussen, bei der Festlegung der Grenzwerte erneut nicht berücksichtigt worden sind. Hinzu kam, dass bei Athleten gemessene hohe Werte in die Neuberechnung der Grenzwerte nicht eingeflossen sind. Die Neuberechnung basierte nach Feststellungen der Gutachter auf Annahmen, die überdies statistisch-mathematisch und aus der Datenlage an sich nicht haltbar sind. Eine konservative Berechnung der Grenzwerte auf der Grundlage der WADA-Daten führte sogar zu dem Befund, dass die bei Patrik Sinkewitz gemessenen Werte unter den Grenzwerten liegen, die für einen Nachweis für Doping durch extern zugeführtes Wachstumshormon erforderlich sind. All diese Gesichtspunkte sind in dem jetzt ergangenen CAS-Urteil nicht ausreichend berücksichtigt worden.

3.

Für den gebotenen und wichtigen Anti-Doping-Kampf ist das heutige Urteil des CAS ein großer Rückschritt, denn der notwendige wissenschaftliche Standard für den indirekten Dopingnachweis, der stets von dem anklagenden Verband zu führen ist, wird hierdurch unzumutbar aufgeweicht.

4.

Hinzu kommt, dass der CAS – trotz ausdrücklich gestellter Anträge – es Patrik Sinkewitz auch nicht ermöglicht hat, ein von der WADA bereits in 2012 als „zuverlässig“ eingesetztes neues HGH-Testverfahren zum Gegenbeweis und Nachweis seiner Unschuld zu nutzen.

Hierzu: Obwohl Patrik Sinkewitz im Verfahren erster Instanz bereits obsiegt hatte, verlangte er im Anschluss hieran im Sommer 2012 – unmittelbar nach Bekanntwerden der neuen Testmethode – eine Nachkontrolle seiner Blutprobe. Dies verweigerte die NADA.

Siehe dazu /news/2012-08/21/radsport-vorwurf-nada-verletzt-rechtsstaatliche-grundsaetze-21131608 und u.a. Süddeutsche Zeitung vom 17.08.2012: /sport/verfahren-um-radprofi-sinkewitz-streit-um-die-grenzwerte-1.1443341 :

„Dieselbe Auskunft gibt es auf die Frage, ob die Nada den neuen, zum Auftakt der Londoner Spiele von der Wada angepriesenen hGH-Test anwenden wolle. Sinkewitz hatte davon in der Zeitung gelesen und sofort seinen Anwalt instruiert: Die Nada solle seine Probe mit dem neuen Test analysieren. Für einen Sünder, der Entdeckung befürchten muss, eine interessante Reaktion? Nicht für die Nada. Cherkeh bekam nicht einmal eine Antwort .“

(Quelle: SZ vom 17.08.2012)

5.

Es handelt sich um einen Dopingverdachtsfall aus Februar 2011. Seit dem Zeitpunkt der kurz darauf erfolgten Suspendierung ist Patrik Sinkewitz faktisch und bis heute ohne Einkommen aus seinem Beruf als Radsportler geblieben, weil finanzkräftige Radteams ihn wegen des laufenden Verfahrens nicht unter Vertrag genommen haben. Gleichzeitig ist ihm vor dem CAS „Verfahrenskostenhilfe“ u.a. bezogen auf Rechtsvertretungskosten, Gutachterkosten, Kosten für die Übersetzungen, Reisekosten etc. verwehrt worden, die er vor einem staatlichen Gericht jedoch erhalten hätte.

Schon daran scheiterte die gebotene Fairness im CAS-Verfahren. Umgekehrt hat der CAS von den Parteien CAS-Verfahrenskosten von 80.000,00 CHF als Vorschüsse abgefordert. Derartige Gerichtskosten fallen bei einem Rechtsstreit vor einem staatlichen Gericht in Deutschland bei einem „Gegenstandswert“ von 5,5 Mio. EUR an.

Auch vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass Spitzenathleten in Deutschland die „Schiedsvereinbarungen“, die diese für eine Teilnahme am Spitzensport zu unterzeichnen haben, vorsorglich zunehmend etwa mit dem Hinweis  „Unterschrift nicht freiwillig – ohne Unterschrift keine Lizenz““ versehen. Ein Schiedsverfahren – auch vor dem CAS -  muss immer auf einer rechtlich wirksamen, also „freiwillig“ unterzeichneten Schiedsvereinbarung beruhen. Durch die ausgebrachten Vorbehalte wollen sich die Athleten die Möglichkeit erhalten, von vornherein den Weg zur staatlichen Gerichtsbarkeit zu beschreiten.

6.

Ob unser Mandant Patrik Sinkewitz den rechtlich noch möglichen Weg zum Schweizer Bundesgericht geht, wird in den kommenden Wochen entschieden.

Herr Sinkewitz bittet um Verständnis, dass er für persönliche Interviews nicht zur Verfügung steht.

Mit freundlichen Grüßen

Prof. Dr. Rainer Cherkeh                    Univ.-Prof. Dr. Carsten Momsen

Hannover, den 24.02.2014

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Prof. Dr. Rainer Cherkeh

Rechtsanwalt

KERN I CHERKEH Rechtsanwälte

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